Magie, Mentoren & Marie

Wer sich fragt, ob es einen deutschen Satz gibt, in dem das Wort „schreiben“ drei Mal direkt hintereinander steht, dem kann geholfen werden. Denn ein solcher steht in meinem folgenden Text. In dem ich mir ein paar Gedanken übers Schreiben mache. Ich schreibe jetzt schon ziemlich lange beruflich, seit 1998 um genau zu sein. Das sind Achtzehn Jahre. So lange, wie ein Mensch braucht, um erwachsen zu werden. Wenn man schreibt, muss man auch erwachen werden. Oder das Schreiben selbst muss erwachsen werden, der Prozess, schwer zu erklären, was ich meine. Ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern, das ich hatte, als meine Figuren, die ich geschrieben habe, zum ersten Mal angefangen haben, zu sprechen. Von ganz alleine. Einfach so. Meine Finger konnten gar nicht so schnell tippen, wie meine Figuren auf dem Computerbildschirm sich unterhalten haben. Ohne, dass ich ihnen gesagt hätte, was sie sagen sollen. Das war magisch. Sehr sogar.

Vor langer Zeit habe ich mal ein Seminar besucht von Keith Cunningham und Tom Schlesinger. Zwei beeindruckende Menschen, die es in drei Tagen hinbekommen haben, dass mein Verständnis vom Schreiben sich tiefgreifend geändert hat. Sie haben viel erzählt, und wir haben viel zugehört. Und sie haben praktische Übungen mit uns gemacht. Eine von diesen praktischen Übungen ging so, dass wir uns über Nacht einen Mentor überlegen sollten. Eine Person oder Figur, die echt sein kann oder fiktiv – der wir aber zu 100 % vertrauen, weil wir ihre Weisheit schätzen. Außerdem sollten wir uns ein Thema bewusst machen, das uns gerade beschäftigt. Am nächsten Morgen im Seminarraum sollten wir dann einen Block nehmen und einen Stift. Und dann sollten wir anfangen zu schreiben. Ein Gespräch mit unserem Mentor. Über das Thema, das uns bewegt. Was denn für ein Gespräch? Ein ganz normales Gespräch. Keine Regeln. Ganz normal. Der Anfang war zögerlich. Es hat sich albern angefühlt, zu schreiben „Hey!“ „Hi.“ „Wie geht’s?“ „Gut. Und dir?“ – Aber so fing es an, das Gespräch mit meinem Mentor auf meinem Zettel. Eine halbe Stunde später war es totenstill im Seminarraum, Stifte flogen über Papier, während 15 Seminarteilnehmer gar nicht so schnell schreiben konnte, wie die Figuren auf ihrem Block sich unterhalten haben: Sie sich selbst mit ihren Mentoren.

Ich weiß nicht mehr, worüber ich mit meinem Mentor gesprochen habe, ich glaube, es ging um meine damalige Festanstellung in einer großen Produktion. Ich weiß auch nicht mehr, worüber sich die Figuren auf meinem Computerbildschirm unterhalten habe, als sie beschlossen haben, sich von mir zu lösen und selbständig zu werden – ich schätze, der Moment war ungefähr drei oder vier Monate nach meinem Seminar mit Keith und Tom. Was ich weiß ist, dass beides magisch war. Und dass es persönliche Meilensteine waren auf meinem Weg zum Autor, an die ich oft zurück denke. Egal, an welchem Projekt ich gerade arbeite. Egal, was das Thema ist, über das ich schreibe. Manche Menschen, die über Schreiben schreiben, schreiben Dinge wie: Schreib über die Themen, die du kennst! Über Sachen, mit denen du dich beschäftigst. Manche Menschen, die diesen Text gerade lesen, haben gemerkt, dass im vorvorletzten Satz drei Mal das Wort „Schreiben“ direkt hintereinander stand. Andere Menschen, die diesen Text gerade lesen, fragen sich vielleicht, warum Autoren dann nicht die ganze Zeit über Schreiben schreiben. Denn das ist doch das, was sie den ganzen Tag tun. Das ist natürlich Quatsch. Musiker schreiben ja auch nicht nur Lieder über Musik. Und Schreiner bauen keine Tische, die aussehen wie Bäume.

Meine bezaubernde Frau Marie kann Musik machen und Tische bauen. Und noch sehr sehr viel mehr. Zum Beispiel schreiben. Manche Autoren schreiben ja direkt über sich. Ohne den Umweg über fiktive Mentoren. Ich weiß nicht, ob ich das könnte, ich glaube nicht. Marie kann das. Sie hat ein Buch geschrieben, in dem sie aus ihrem Leben erzählt. In kleinen Geschichten, die sich so groß anfühlen, obwohl sie gar nicht groß sein wollen. Ich bin ja einer, der im Kino weint. Manchmal. Bei Büchern not so much. Als ich Maries Buch gelesen habe, da habe ich kurz geweint. Also natürlich nicht richtig, ich hatte was im Auge, und außerdem ging es in der Geschichte vielleicht ein kleines bisschen um mich. Und an einer anderen Stelle ging es um Marie und um eine Kleinigkeit in ihrem Charakter, die vielleicht nur ich so genau kenne, weil ich sie liebe und die dem Leser gar nicht auffällt. Vielleicht war es auch der Plot, der mich berührt hat, aber irgendwie ist das ja egal.

Ich wollte gerade bei Amazon eine Bewertung zu ihrem Buch schreiben, aber Amazon hat mir das nicht erlaubt, weil Amazon glaubt, ich sei befangen. Na und? Kinder von Musikern dürfen doch auch auf den Konzerten ihrer Eltern jubeln, und Omis an Tischen sitzen, die ihre Enkel gebaut haben.

Dann lobe ich das Buch halt hier, und weil ich Autor bin, kann ich Sätze schreiben, in denen drei Mal hintereinander das selbe Wort steht. Zum Beispiel diesen:

Maries Buch ist erhältlich auf Amazon Amazon Amazon.